Bill-Boo und seine Bande :-)

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Als ich klein war, gab es alle paar Jahre (wie häufig weiß ich nicht mehr, ich meine alle sieben Jahre : Nachtrag: es waren drei Jahre (Danke, Heike!!) ), Schneckensammeljahre. Ich habe das allerdings nur einmal aktiv mitgemacht. Wir Kinder zogen aus und sammelten Weinbergschnecken, soviel wir auch nur ergattern konnten. Als Zwischenlager kamen sie in die kühle Garage, gut aufgehoben, in einem Eimer mit Grünzeug und Glasdeckel. Wenn man genug zusammen hatte, wurden sie zu einer Sammelstelle gebracht, ein kühler niedriger Kellerraum, in dem Holzkisten bis zur Decke gestapelt waren. Diese Kisten faszinierten mich auf ganz besondere Weise, denn aus den Spalten quetschten sich kleine Leiber, zuckten zarte Fühler.

Der Mann, der das kostbare Sammelgut begutachtete, hatte eine Art Gestell, das aus einem dicken Draht bestand auf dem obenauf ein Draht-Ring saß. Auf diesen Ring nun legte er jede einzelne der gesammelten Schnecken. Diejenigen, die durch den Ring fielen, mussten wir wieder aussetzen, die Großen wurden anschließend gewogen. Das war spannend, wie er auf der alten metallenen Waage die Gewichte immer hin und herschob, kleinere und kleinste Einheiten auf die Waagschale legte und wir mit angehaltenem Atem warteten, bis das Zünglein sich ganz ruhig ausgezittert hatte. Wenn ich mich nicht irre, gab es EINE ganze Mark für das Kilo. Unbeschreiblich viel Geld für uns Kinder, ich selbst brachte es immerhin auf 3,20 Mark, das war mehr als drei Monate Taschengeld.

Der Bruder meiner besten Freundin verdiente weit über 20 Mark, aber der war auch schon fast erwachsen. Seltsamerweise kann ich mich nicht erinnern, jemals gefragt zu haben, wozu man Schnecken eigentlich braucht … oder ich habe es vergessen. Ich weiß nur noch, dass ich erst viele viele Jahre später selbst das erste Mal Schnecken gegessen habe … noch heute wundere ich mich, dass die kleinen Knorpel solche Spezialitäten sein sollen. Eigentlich schmeckten dabei immer nur die Kräuterbutter und das Weißbrot.

Aber nicht nur dieses Ereignis prägte meine „Beziehung“ zu Weinbergschnecken. Schon immer mochte ich die kleinen Gesellen, mit denen wir spannende Rennen starteten (ich hatte eine Zeitlang einen echten Geheimtipp am Start!!) die wir als Haustiere hielten, fleißig fütterten und beobachteten. Die uns liebsten durften die Unterarme runtergleiten und immer hatten wir Spaß, ganz zart an die ausgefahrenen Fühler zu tippen und zu beobachten, wie schnell sie diese dann einzogen.

Heute ist die Weinbergschnecke selten geworden und streng geschützt. Die Schnecken, die immer noch im im Restaurant im Schneckenteller landen, kommen aus speziellen Zuchtanlagen und nicht mehr aus der Natur.

Meine Beziehung zu den Schnecken (also den Weinbergschnecken!) ist immer noch eine besondere. Ich glaube z.B. fest daran, dass die Weinbergschnecken mir helfen, die doofen Nacktschnecken im Zaum zu halten, auch wenn das offensichtlich wissenschaftlich nicht belegt ist. Aus diesem Grund habe ich die letzten vier Jahre in meinem kleinen Schrebergarten meine Schneckenbande gehegt und gepflegt. Und habe tatsächlich (im Gegensatz zu den Gartennachbarn) kaum noch Probleme mit Nacktschnecken.

Jetzt wo ich den Garten abgebe, weil ich ein anderes Grundstück habe, war klar, MEINE Schnecken müssen mit. Im neuen Garten gibt es nur die doofen nakischen … und von denen mehr als genug. Außerdem habe ich Angst, dass die Nachfolger in meinem alten Garten mit Schneckenkorn oder Schlimmeren, MEINEN Schnecken ein Leid antun. Also: Naturschutz hin oder her … mein Schutz besteht aus der Zwangsumsiedelung 😉 Zum Glück war es heute ziemlich nass, so dass ich zumindest sechs meiner Bande gefunden habe.

Damit ich sie eventuell im neuen Grundstück einmal wiedersehe (und vor allem wieder erkenne!!), habe ich meine Bande durchnummeriert 😉

Denn schließlich können die Kerlchen (sind zweigeschlechtlich, so dass ich mit Kerlchen sowohl sie als auch ihn meine 😉 ) ganz schön alt werden: In freier Natur kann sie ein Alter von acht Jahren erreichen, bei guter Pflege (die sie ja bei mir haben!) ist eine Lebenserwartung von 20 Jahren nicht selten.

Apropos: Die Zwangsumsiedelung war keinesfalls einfach, denn Monsieur hat sich zuerst strikt geweigert, Schnecken in seinem Auto zu transportieren 😀

Er lamentierte endlos, aber letztendlich nahm er uns doch mit, der Gute … samt dem Aronia-Busch, den zwei Heidelbeersträuchern, einer Schwarzen Johannisbeere und drei Lavendelbüschen und …. #hust.

Im neuen Domizil angekommen, wurde die Bande also zuerst vermessen, gekennzeichnet und dann in einem schönen feuchten Gebüsch ausgesetzt. Welcome home meine kleine Bande 🙂 Auf ein baldiges Wiedersehen!!

12 Kommentare zu „Bill-Boo und seine Bande :-)

  1. Schöne Geschichte, besonders die Vorstellung dass Deine Weinbergschneckenamada sich gegen die Nacktschnecken stellt und Deinen Garten verteidigt. Auf das Sie im neuen Zuhause gut gedeihen und dir helfen.

    Die letzten Schnecken die ich gegessen habe, ist wirklich lang her und seien wir ehrlich, man schmeckt Brot und Kräuterbutter weil jeder sich ekelt auf die Schnecken selbt zu beißen.

      1. und es gab auch ein fröhliches feedback einer meiner freundinnen, das ich Dir nicht vorenthalten will:
        „Herrlich, diese Erinnerung an durchnummerierte Schnecken. Entweder ist von meinen Schnecken der Edding vom Regen abgewaschen worden, oder, einmal markiert, haben die Schleimlinge das Weite gesucht und wurden deshalb nie wieder gesehen. Meine wissenschaftliche Karriere als Schneckenzählerin kriecht seitdem dahin wie die Objekte eben dieser Begierde. ~~~o”

  2. Das ist wirklich eine liebe Geschichte, Scratchy, un dich wünsche dir viel Glück bei der Nacktschneckenkontrolle. Häuschenschnecken sind aber auch recht hungrig und verzehren nicht nur Verwandte 😉

  3. Ich habe die früher auch gegessen, der Knoblauchbutter wegen, und möchte mich hiermit dafür entschuldigen! Kennst Du das Buch: „Das Geräusch einer Schnecke beim Essen“? Ich habe es noch nicht gelesen, werde es mir aber demnächst zulegen.
    Liebe Grüße,
    Elvira

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